§ 3 Ambulant betreute Wohnformen

Thüringer Wohn- und Teilhabegesetz

Entwurf vom 11. Dezember 2013
Eingebracht durch Landesregierung
Federführender Ausschuss Ausschuss für Soziales, Familie und Gesundheit
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Die Diskussion ist seit dem 13.03.2014 archiviert

Zurzeit befindet sich der Gesetzentwurf der Landesregierung zum Thüringer Gesetz über betreute Wohnformen und Teilhabe (Thüringer Wohn- und Teilhabegesetz, Drucksache 5/7006) vom 11.12.2013 in der parlamentarischen Diskussion. Nachfolgend finden Sie hierzu Fragen sowie die einzelnen Paragraphen, mit denen sich der Ausschuss für Soziales, Familie und Gesundheit derzeit befasst. Sie können Ihre Meinung zu den Fragen und Bestimmungen abgeben. Mit Ihren Beiträgen, Ihren Erläuterungen oder Ihrer Kritik können Sie Einfluss auf die Arbeit des Ausschusses für Soziales, Familie und Gesundheit nehmen.

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§ 3 Ambulant betreute Wohnformen

(1) Ambulant betreute Wohnformen sind
1. ambulant betreute Wohngemeinschaften, die dem Zweck dienen, volljährigen pflege­ oder betreuungsbedürftigen Menschen das Leben in einem gemeinsamen Haushalt und gleichzeitig die Inanspruchnahme externer Pflege- oder Betreuungsleistungen gegen Entgelt zu ermöglichen; ambulant betreute Wohngemeinschaften liegen vor, wenn
a) die Wohngemeinschaft bauliche, organisatorische und wirtschaftliche Selbständigkeit besitzt und insbesondere kein Bestandteil einer stationären Einrichtung ist,
b) der Pflege- und Betreuungsdienst nur einen Gaststatus hat und
c) in ihr mindestens drei und nicht mehr als zwölf pflege- oder betreuungsbedürftige Personen wohnen,
2. Angebote des betreuten Einzelwohnens für volljährige Pflegebedürftige oder volljährige Menschen mit Behinderungen, denen jeweils eine abgeschlossene Wohnung zur Verfügung steht, wenn
a) das Angebot des betreuten Einzelwohnens bauliche, organisatorische und wirtschaftliche Selbständigkeit besitzt und insbesondere kein Bestandteil einer stationären Einrichtung ist, und
b) der Pflege- und Betreuungsdienst nur einen Gaststatus hat.

(2) Ambulant betreute Wohngemeinschaften und Angebote des betreuten Einzelwohnens sind nicht selbstorganisiert, wenn sie unter der Verantwortung eines Trägers stehen oder von diesem strukturell abhängig sind. Eine strukturelle Abhängigkeit ist insbesondere dann gegeben, wenn die freie Wählbarkeit der Pflege- und Betreuungsleistungen rechtlich oder tatsächlich eingeschränkt ist. Die freie Wählbarkeit der Pflege- und Betreuungsleistungen ist dann eingeschränkt, wenn der Dienstleistungsanbieter mit dem Wohnraumanbieter rechtlich oder tatsächlich verbunden ist. Eine solche rechtliche oder tatsächliche Verbundenheit wird vermutet, wenn der Wohnraumanbieter und der Dienstleistungsanbieter
1. personenidentisch sind,
2. gesellschafts- oder handelsrechtliche Verbindungen aufweisen oder
3. in einem Angehörigenverhältnis nach § 20 Abs. 5 des Thüringer Verwaltungsverfahrensgesetzes zueinander stehen.
Diese Vermutung ist widerlegt, wenn nachgewiesen wird, dass die freie Wählbarkeit der Pflege- und Betreuungsleistungen nicht eingeschränkt ist oder in absehbarer Zeit vorliegen wird. Eine strukturelle Abhängigkeit der Bewohner ist auch gegeben, wenn in der Wohngemeinschaft oder im Angebot des betreuten Einzelwohnens eine professionelle Pflege- oder Betreuungsperson regelmäßig jeden Tag rund um die Uhr anwesend ist.

(3) Ambulant betreute Wohngemeinschaften sind selbstorganisiert, wenn die Selbstbestimmung der Bewohner gewährleistet ist und sie von Dritten strukturell unabhängig sind. Dies ist der Fall, wenn die Bewohner oder ihre gesetzlichen Vertreter
1. die Pflege- und Betreuungsdienste sowie Art und Umfang der Pflege- und Betreuungsleistungen rechtlich und tatsächlich frei wählen können,
2. die. Lebens- und Haushaltsführung selbstbestimmt gemeinschaftlich gestalten können,
insbesondere ein Gremium zur gemeinsamen Regelung aller die Wohngemeinschaft betreffenden Angelegenheiten errichten können,
3. das Hausrecht uneingeschränkt ausüben können und
4. über die Aufnahme neuer Mitbewohner selbst entscheiden können.

(4) Angebote des betreuten Einzelwohnens sind selbstorganisiert, wenn die Selbstbestimmung der Bewohner gewährleistet ist und sie von Dritten strukturell unabhängig sind. Dies ist der Fall, wenn die Bewohner oder ihre gesetzlichen Vertreter
1. die Pflege- und Betreuungsdienste sowie Art und Umfang der Pflege- und Betreuungsleistungen rechtlich und tatsächlich frei wählen können und
2. das Hausrecht uneingeschränkt ausüben können.

(5) Die nicht selbstorganisierten ambulant betreuten Wohngemeinschaften für drei bis zwölf pflege- oder betreuungsbedürftige Personen und die nicht selbstorganisierten Angebote des betreuten Einzelwohnens müssen die Anforderungen des Zweiten und Vierten Abschnittes erfüllen. Auf ambulant betreute Wohngemeinschaften für mehr als zwölf pflege- oder betreuungsbedürftige Personen finden die Bestimmungen für stationäre Einrichtungen entsprechende Anwendung.

18. Februar 2014 | Care
Anwesenheit einer Profesionellen Pflege- oder Betreuungsperson

Durch §3 Abs. 2 wird eine strukturelle Abhängigkeit durch die Anwesenheit einer professionellen Pflege- oder Betreuungsperson unterstellt. Dies bedeutet im Umkehrschluss, dass sämtliche Formen des ambulant betreuten Wohnens der Heimgesetzgebung unterliegen und damit in das Recht des Einzelnen auf seinen freien Wohnraum eingegriffen wird. Dies wird eine Flut von Klagen nach sich ziehen. Zum anderen werden genau diese Wohnformen, die einen nachgefragten und wünschenswerten Service rund um die Uhr in ambulanter Form bieten, automatisch zu Heimen "umgewidmet", ohne Mitspracherecht der Mieter, die sich genau für diese Wohnform ja entschieden haben. Dies ist ein unzulässiger Eingriff in die Grundrechte des einzelnen Bewohners und hebelt genau das Gewollte, nämlich Mitbestimmung aus. Zudem sind bereits jetzt besonders Betroffene durch die bestehenden Gesetze und Vertretungs- und oder Betreuungsregelungen vollkommen ausreichend geschützt.