2. Zweck des Gesetzes

Thüringer Aufarbeitungsbeauftragten-Gesetz

Entwurf vom 15. November 2012
Eingebracht durch Mehrere Initiatoren
Federführender Ausschuss Justiz- und Verfassungsausschuss
5
Die Diskussion ist seit dem 07.04.2013 archiviert

Zurzeit befindet sich der Gesetzentwurf zum Thüringer Aufarbeitungsbeauftragtengesetz in der parlamentarischen Diskussion. Die Fraktionen der CDU und der SPD haben einen gemeinsamen Gesetzentwurf (Drucksache 5/5217) vorgelegt. Nachfolgend finden Sie die Paragraphen des Gesetzentwurfs sowie zum Teil ergänzende Fragen, mit denen sich der Justiz- und Verfassungsausschuss derzeit befasst. Sie können Ihre Meinung zu den einzelnen Bestimmungen und den dazu gestellten Fragen abgeben. Mit Ihren Beiträgen, Ihren Erläuterungen oder Ihrer Kritik können Sie Einfluss auf die Arbeit des Justiz- und Verfassungsausschusses nehmen. Darüber hinaus bittet Sie der Justiz- und Verfassungsausschuss auch um Beantwortung einiger allgemeiner Fragen, soweit diese Punkte nicht zu den einzelnen Paragraphen des Gesetzentwurfs gehören.

Diskutieren Sie mit!

2. Zweck des Gesetzes

Der § 1 Absatz 1 regelt den Zweck des Gesetzes. Dort heißt es:

„Dieses Gesetz dient der historischen, politischen und juristischen Aufarbeitung des Stalinismus in der sowjetischen Besatzungszone, der DDR-Diktatur sowie der Tätigkeit des Staatssicherheitsdienstes auf dem Gebiet des heutigen Freistaats Thüringen. Dabei liegt der Schwerpunkt auf der politisch-historischen Bildung und Aufklärung sowie der Unterstützung und Hilfestellung derer, die Zugang zu den vom Staatssicherheitsdienst zu ihrer Person gesammelten und gespeicherten Informationen und Daten suchen. Hierdurch soll zum einen die Aufarbeitung, zum anderen präventive Aufklärung in Bezug auf das geschehene DDR-Unrecht erfolgen und damit zugleich der Gedanke des demokratischen Rechtsstaats durch Wissensvermittlung gefestigt werden.“

Wie beurteilen Sie die Zweckbestimmung in § 1 Abs. 1 des Gesetzentwurfs?

07. April 2013 | Johannes Beleites
Überarbeitungsbedarf

Dieser Absatz sollte komplett überarbeitet werden. Notwendig ist die Beachtung des aktuellen Diskussionsstandes zur Aufarbeitung der SED-Diktatur, aber auch schon allein eine präzise Formulierung.
Das Gesetz kann möglicherweise der historischen, der politischen und – bisher nicht erwähnt – der persönlichen Aufarbeitung dienen; der juristischen Aufarbeitung kann durch dieses Gesetz aus Gründen der Gewaltenteilung jedoch nicht gedient werden. Die juristische Aufarbeitung wird durch Gerichte vorgenommen und ist damit außerhalb der Möglichkeiten des TLStU. Allenfalls könnte man als Zweck „die Förderung der juristischen Aufarbeitung“ formulieren mit der Absicht, die rehabilitierungsrechtliche Beratung zu erfassen und den Gesetzgeber in spezifischen Fragen zu beraten.
Beim gewiss offenen Begriff der Aufarbeitung ist dennoch zu fragen, was aufgearbeitet werden soll. Der Stalinismus beschränkt sich keineswegs auf die Zeit der sowjetischen Besatzungszone. Auch „die DDR-Diktatur“ ist kein eingeführter Begriff. Eingeführt und innerhalb der betroffenen Bundesländer sowie des Bundes anschlussfähig ist der Begriff der SED-Diktatur. Besser, weil er die Diktatur nicht auf die SED beschränkt, und international anschlussfähig wäre der Begriff der „kommunistischen Diktatur“. Dieser Begriff ist in den anderen früheren Ostblockstaaten stark verbreitet und er beschränkt die Diktatur nicht auf eine einzelne Partei, sondern lässt beispielsweise Raum für das DDR-spezifische System der Blockparteien.
Die Blickrichtung des Gesetzes bzw. des TLStU sollte auf der kommunistischen Diktatur in der SBZ bzw. DDR von 1945 bis 1989/90, aber auch auf deren Ursachen und Folgen liegen. Gerade sich bis heute perpetuierende Diktaturfolgen (im Bereich der Wirtschaft, der Landwirtschaft, der Eigentumsverteilung, der Berufswege Einzelner, der Renten etc. pp.) sowie die Prozesse der Transformationsgesellschaft nach 1990 auf dem Gebiet der früheren DDR und insbesondere in Thüringen sollten im Blickfeld des TLStU sein. Darin eingeschlossen ist natürlich die Tätigkeit des Staatssicherheitsdienstes, aber eben auch des gesamten Repressionsapparates der Parteien, Massenorganisationen, der NVA, der Volkspolizei, der Verwaltung, der Bildung und der Medien. Wirkliche Aufarbeitung der Diktatur darf sich nicht auf den vergleichsweise kleinen Bereich der Geheimpolizei beschränken.
Die Schwerpunktsetzung ist nicht nur in der falschen Reihenfolge erfolgt. An erster Stelle sollten die Betroffenen der kommunistischen Diktatur stehen. Sinn eines auf höchster Landesebene angesiedelten und mit weitgehender Unabhängigkeit ausgestatteten Landesbeauftragten kann nur sein, als Ombudsmann bzw. -frau für die – zumeist bis heute – Betroffenen der Diktatur zu agieren. Der Begriff der Betroffenen muss dabei ausdrücklich weiter gefasst werden als der Begriff der Opfer bzw. des Betroffenen gemäß § 6 Abs. 3 StUG. Der Weg zum TLStU sollte allen offen stehen: den Opfern, den aktiven Gegnern, den ehemaligen politischen Gefangenen, den von willkürlicher Heimeinweisung Betroffenen, den verfolgten Schülern, aber eben auch den Mitläufern, den Stützen der Diktatur, den ehemaligen Stasi-Mitarbeitern, NVA-Offizieren oder Staats- und Parteifunktionären, wenn sie Unterstützung bei ihrer Aufarbeitung der kommunistischen Diktatur oder der Wahrnehmung damit in Zusammenhang stehender Rechte benötigen. Nachhaltig wirkende Diktaturaufarbeitung kann nur erreicht werden, wenn die gesamte Diktatur in den Blick genommen wird und nicht allein ein besonders schlimmer Ausschnitt.
Die politische Bildung kann in den Aufgaben des TLStU vorkommen, jedoch längst nicht an der prominenten Stelle, an der die Tätigkeit für die Betroffenen formuliert wird. Politische Bildung über die kommunistische Diktatur ist keineswegs unwichtig, jedoch gibt es hier schon vielfältige Bemühungen an anderen Stellen. Diese sollten unterstützt, keinesfalls aber durch ein starkes Konkurrenzangebot auf höchster Landesebene in ihrer Wirksamkeit beschränkt werden. Als Landesbehörde gibt es schon die Landeszentrale für politische Bildung, die in diesem Themenbereich eigenständig und in Kooperation mit dem TLStU sowie anderen Bildungsträgern und Initiativen erfolgreich tätig ist.

23. März 2013 | Gast
SED-Diktatur wäre der richtige Begriff

Der Begriff DDR-Diktatur ist nicht wissenschaftlich untersetzbar.
Der Vorschlag der Gesellschaft für Zeitgeschichte wird von mir unterstützt:
(Zitat) "Der Absatz sollte besser so formuliert werden:
(1) Dieses Gesetz dient der Aufarbeitung der SED-Diktatur in der sowjetischen Besatzungszone und der DDR. Dabei liegt der Schwerpunkt auf der Unterstützung und Beratung von Menschen, die von der Verfolgung in dieser Zeit unmittelbar oder mittelbar betroffen sind sowie der Aufklärung und der politisch-historischen Bildung in diesem Zusammenhang." (Zitatende)

04. März 2013 | Gesellschaft für Zeitgeschichte
Gesellschaft für Zeitgeschichte

Hier wird die fehlende stringente und straffe Formulierung (vgl. oben Frage 1a) besonders deutlich:
Der Absatz sollte besser so formuliert werden:
(1) Dieses Gesetz dient der Aufarbeitung der SED-Diktatur in der sowjetischen Besatzungszone und der DDR. Dabei liegt der Schwerpunkt auf der Unterstützung und Beratung von Menschen, die von der Verfolgung in dieser Zeit unmittelbar oder mittelbar betroffen sind sowie der Aufklärung und der politisch-historischen Bildung in diesem Zusammenhang.

30. Januar 2013 | sparsbrod
Erweiterung des Aufgabenbereiches

Die Landesbeauftragte hat auch schon bisher Aufgaben wahrgenommen, die so ausdrücklich nicht im alten Gesetzentwurf formuliert gewesen sein mögen. Diesen erweiterten Aufgabenbereich nun festzuschreiben,
halte ich für wichtig.
20 Personen vom Thüringer Geschichtsverbund können doch nicht in ausreichendem Maße landesweit die Aufarbeitung der DDR-Geschichte bewältigen. Die Landesbeauftragte sollte vorallem in Schulen und in den Medien präsent sein. Sie sollte als die beauftragte Person gelten, die das Land Thüringen vertritt, wenn es um Aufklärung und Bekenntnis zu Freiheit und Demokratie geht.

25. Januar 2013 | Peter Maser
Zweck des Gesetzes

2.

Die Zweckbestimmung in § 1 Absatz 1 versucht mit inhaltlich problematischen Begriffen und neuen Aufgabenstellungen das Amt des Landesbeauftragten praktisch neu zu erfinden, um so seine Fortführung zu begründen. Der Begriff „Stalinismus in der sowjetischen Besatzungszone“ ist historischer Unsinn. Der Diktator starb bekanntlich erst im März 1953 und der Stalinismus überlebte ihn in der DDR noch eine beträchtliche Zeit. Der Begriff der „DDR-Diktatur“ wird in der öffentlichen, politischen und fachwissenschaftlichen Diskussion aus guten Gründen gemieden. Es geht um die SED-Diktatur, zu deren Repressionsinstrumenten der Staatssicherheitsdienst, aber keineswegs nur dieser, gehörte. Die „politisch-historische Bildung und Aufklärung“ war bisher nicht Aufgabe des Thüringer Landesbeauftragten und wird von den rund 20 Mitgliedern des Thüringer Geschichtsverbundes bereits seit langem kompetent wahrgenommen. Der Zugang zu den Stasi-Akten wird regional durch die Außenstellen der BStU in Erfurt, Gera und Suhl abgesichert. Mit den Außenstellen Suhl und Gera des TLStU bestehen schon jetzt hier vermeidbare Doppelstrukturen. Was eine „präventive Aufklärung in Bezug auf das geschehene DDR-Unrecht“, also die untergegangene SED-Diktatur, sein könnte, müßte erst noch erklärt werden.