Welche Auffassung vertreten Sie zur geplanten Aufnahme von Regelungen zur Inklusion als Staatszielbestimmung in die Thüringer Verfassung durch den o. g. Gesetzentwurf (Drucksache 7/897)? Haben Sie Anmerkungen zur beabsichtigten Bestimmung?

Verfassungsänderung – Inklusion

Entwurf vom 05. Juni 2020
Eingebracht durch Mehrere Initiatoren
Federführender Ausschuss Verfassungsausschuss
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Die Diskussion ist seit dem 04.12.2020 abgeschlossen

Zurzeit befindet sich der Gesetzentwurf der Fraktionen DIE LINKE, der SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN (Drucksache 7/897) in der parlamentarischen Diskussion. Nachfolgend können Sie Ihre Meinung zu dem Gesetzentwurf im Hinblick auf den Themenkomplex „Inklusion/Behinderte Menschen stärken“ abgeben, mit dem sich der Verfassungsausschuss derzeit befasst. Mit Ihren Beiträgen, Ihren Erläuterungen oder Ihrer Kritik können Sie Einfluss auf die Arbeit des Verfassungsausschusses nehmen.

Diskutieren Sie mit!

Die von Sachverständigen, Interessensvertretern und anderen Auskunftspersonen im Rahmen eines Anhörungsverfahrens eingereichten Stellungnahmen können mit Zustimmung der Angehörten hier in der Beteiligtentransparenzdokumentation eingesehen werden

Welche Auffassung vertreten Sie zur geplanten Aufnahme von Regelungen zur Inklusion als Staatszielbestimmung in die Thüringer Verfassung durch den o. g. Gesetzentwurf (Drucksache 7/897)? Haben Sie Anmerkungen zur beabsichtigten Bestimmung?

15. November 2020 | Gast | Prof. Dr. Robert Uerpmann-Wittzack
Inklusion konsequent in der Verfassung verankern

Die vorgeschlagene Neufassung von Art. 2 Absatz 4 erscheint mir etwas halbherzig. Ich würde den Absatz eher so formulieren:

„Der Freistaat Thüringen ist inklusiv und barrierefrei. Er achtet und verwirklicht das Übereinkommen über die Rechte von Menschen mit Behinderung. Menschen mit Behinderung und ihre Verbände wirken in allen sie betreffenden Entscheidungsprozessen mit.“

Die Beschränkung auf Inklusion könnte den Eindruck entstehen lassen, dass es nur um das Schulwesen geht, obwohl die Anliegen viel breiter sind. Deshalb würde ich die Barrierefreiheit mit aufnehmen. Die Formulierung als Anspruch könnte den Eindruck erwecken, als müsse Inklusion erst hergestellt werden, wenn sie konkret eingefordert wird. Tatsächlich müssen aber alle Lebensbereiche nach einem modernen Verständnis, wie es der UN-Behindertenrechtskonvention zugrunde liegt, von vornherein inklusiv und barrierefrei gestaltet werden.

Der zweite Satz des Entwurfs bleibt dem Fürsorge-Paradigma verhaftet, das der moderne, rechtebasierte Ansatz gerade überwinden will. Das gilt auch für Teile des dritten Satzes, insbesondere das Adjektiv „gleichwertig“ statt „gleichberechtigt“. Stattdessen setzt die Behindertenrechtskonvention auf Partizipation; s. insb. Art. 4 Absatz 3 des Übereinkommens. Das würde ich in einen neuen Satz aufnehmen, den man aus sprachlichen Gründen ans Ende setzen könnte.

Was den dritten Satz des Entwurfs angeht, spielen andere behinderungsspezifische völkerrechtliche Regelungen neben der Behindertenrechtskonvention kaum eine Rolle. Hingegen wäre es merkwürdig, den Schutz allgemeiner Menschenrechte oder insgesamt die Umsetzung völkerrechtlicher Vorgaben nur für Menschen mit Behinderung vorzusehen und nicht für alle Menschen. Daher sollte die Verweisung auf sonstige völkerrechtliche Vereinbarungen entfallen.