Fragen des Ausschusses für Bildung, Jugend und Sport:
Viertes Gesetz zur Änderung des Thüringer Kindergartengesetzes
Zurzeit berät der Ausschuss für Bildung, Jugend und Sport den Gesetzentwurf der Fraktionen DIE LINKE, der SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN (Drucksache 7/8644 - Neufassung -).
Nachfolgend können Sie den Gesetzentwurf kommentieren.
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Mit Ihren Beiträgen, Ihren Erläuterungen oder Ihrer Kritik können Sie Einfluss auf die Arbeit des Ausschusses für Bildung, Jugend und Sport nehmen und auf Ihnen wichtige Gesichtspunkte hinweisen. Die von Sachverständigen, Interessensvertretern und anderen Auskunftspersonen im Rahmen eines Anhörungsverfahrens eingereichten Stellungnahmen können mit Zustimmung der Angehörten in der Beteiligtentransparenzdokumentation eingesehen werden: hier
Fragen des Ausschusses für Bildung, Jugend und Sport:
1. Was möchten Sie zum Entwurf eines Vierten Gesetzes zur Änderung des Thüringer Kindergartengesetzes in Drucksache 7/8644 - Neufassung - insgesamt und/oder zu einzelnen Bestimmungen anmerken?
2. Welche Hindernisse bestehen derzeit bei der Qualitätsentwicklung der frühkindlichen Bildung in den Kindertagesstätten und wie können diese Hindernisse durch das Land beseitigt werden?
Hinweis: Bitte geben Sie in Ihrem Kommentar an, auf welche Frage(n) Sie sich beziehen.
Prozessqualität SICHERN und ENTWICKELN, dies gelingt insbesondere mit Sicherstellung der Strukturqualität.
Aus diesem Grund zunächst DANKE für die guten Ansätze im Rahmen der Novellierung des Thüringer Kindergartengesetzes.
Unter Berücksichtigung der aktuellen Entwicklungen der Geburten und der damit verbundenen Reduzierung des Fachkräftebedarfs in den nächsten 5-7 Jahren ist es unabdingbar, auch für Kinder unter 3 Jahren den Personalschlüssel anzupassen (Empfehlungen der Bertelsmannstiftung für einen kindgerechten Personalschlüssel: 1 Fachkraft für 3 Kinder unter 3 Jahre). Neben der Sicherung unserer qualifizierten Fachkräfte ist dies ein wesentliches Qualitätskriterium, um den heutigen Anforderungen an eine kindorientierte Betreuung und Bildung besser gerecht werden zu können. Mit Blick auf die aktuellen Personalschlüssel wäre eine Anpassung auf 4 Kinder für eine Fachkraft für Kinder unter 3 Jahre ein guter Schritt.
Ein wichtiger Aspekt im Zusammenhang mit der Personalausstattung ist der Rechtsanspruch auf eine Betreuung von 10 Stunden täglich. Hier ist Thüringen absoluter Spitzenreiter im Ländervergleich, dies bedarf aber dringend auch einer Anpassung des Personalschlüssels von 9 auf 10 Stunden. Dies wurde in den vergangenen Jahren bereits auf mehreren Ebenen kommuniziert, fand leider bislang kein Gehör bzw. auch in diesem Gesetzesentwurf keine Berücksichtigung. Vereinzelt werden die nicht mit dem Gesetz refinanzierten Personalstunden durch die Kommunen getragen, mit Verweis darauf, dass es sich um einen MINDESTpersonalschlüssel lt. KigaG handelt.
Grundsätzlich sollten die Berechnungsgrundlagen des Personalschlüssels vereinfacht werden, ein sehr guter Ansatz findet sich in dem Entwurf mit Vereinheitlichung des Personalschlüssels für die Kinder von 3 Jahren bis zum Schuleintritt. Diese „Mischkalkulation“ trägt zur Kontinuität und somit nicht zuletzt zur Sicherung der Qualität im Betreuungskontext bei. Fachkräftebindung bedeutet auch, ein Modell zu schaffen, das nicht permanenten Änderungen im Stundenvolumen und letztlich Einkommen der Fachkräfte unterliegt. Ein flexibles Arbeitszeitkonto kann diese Schwankungen im Betreuungsschlüssel durch An- und Abmeldungen und somit Änderungen der SOLL-VZÄ nicht ausgleichen. Überlegungen hierzu sind die Anpassung des Personalschlüssels an 2 Stichtagen im Jahr oder die Anwendung des Jahresmittels (durchschnittliche Jahresbelegung unter Beachtung der Progressivität) über das gesamte Kindergartenjahr auf Grundlage der Planzahlen mit dem Ziel einer kindgerechten Personalausstattung für alle Kinder.
Die Einführung eines Korridors für die SOLL-VZÄ sollte zudem überdacht werden (Erfüllung Mindestpersonalschlüssel mit Ober- und Untergrenzen).
Um den gestiegenen Anforderungen an Kita-Leitung neben den Verwaltungsthemen mit Blick auf die Begleitung der Familien in Prozessen der Beantragung von Unterstützungsleistungen, Vermittlung von Beratungsstellen sowie Begleitung von behördlichen/institutionellen Terminen usw. besser gerecht werden zu können, ist es unabdingbar, unabhängig von der Kapazität der Einrichtung die Leitungsanteile auf mind. 0,5 VZÄ festzusetzen sowie die Kappung nach oben aufzuheben. Die Einrichtung von Kita-Sozialarbeit wäre ein weiterer, wichtiger Hebel, der leider in dem Gesetzesentwurf keine Berücksichtigung findet.
Ein Zentrum für frühkindliche Bildung für einen kontinuierlichen Qualitätsdiskurs im Bereich der frühkindlichen Bildung, Betreuung und Erziehung ist ein gutes Instrument, ergänzend zu den bestehenden Strukturen der Träger, Landkreise, der Kommunen. Die kontinuierliche fachliche Begleitung der Teams und die Qualitätsentwicklung VOR ORT hat aus unserer Sicht dennoch für die Sicherstellung der Qualität in der Kindertagesbetreuung oberste Priorität. Von daher ist es dringend erforderlich, die Pauschale zur Fachberatung nach § 11 anzupassen. Eine Dynamisierung der Pauschale ist hierbei sinnvoll (Berücksichtigung der Entgelttabellen TVÖD).
Die Qualität in den verschiedenen Kitas ist sehr unterschiedlich. Beobachtungsbögen oder Diagnosebögen wie z.B. diese von Kuno Beller sind nicht überall selbstverständlich oder verpflichtend. Diese sind jedoch nötig, um frühzeitig Entwicklungsverzögerungen zu bemerken, Fördermaßnahmen einzuleiten.
Darüberhinaus ist es wichtig, dass der Personalschlüssel besser wird, damit solche Beobachtungen und Diagnostiken durchgeführt werden können. Auch eine Förderung muss begleitet werden können. Eine Arbeit in multiprofessionellen Teams ist daher auch für Kitas unabdingbar.
Es sollte auch eine höhere Wertschätzung von Seiten der Regierung für den Beruf der Erzieherin oder des Erziehers geben. Solange die Regierung uns vorlebt, wie wir diese Personengruppe zu behandeln haben, werden wir keine weiteren Erzieher*innen gewinnen können.
Sehr geehrte Damen und Herren,
wir sind kürzlich von Bayern nach Thüringen gezogen - auch deshalb, weil wir hoffen, dass die Betreuung der Kinder (derzeit 1 1/2 und 4 Jahre) hier bis in die Schulzeit hinein ganztags gewährleistet wird. Etwas erschrocken sind wir allerdings über den Betreuungsschlüssel, insbes. bei den ganz Kleinen (< 3 Jahre). Wir sind es gewohnt, dass in dieser Altersgruppe eine Erzieherin für max. 4 Kinder verantwortlich ist - in Ausnahmefällen (Tagesbetreuungsperson) 5 Kinder. Wir würden uns wünschen, dass unsere kleine Tochter zeitnah wieder eine solche Betreuung genießen kann!
Die Qualität des Thüringer Systems frühkindlicher Bildung, Betreuung und Erziehung (FBBE) weiterzuentwickeln und nachhaltig zu sichern, bedarf vieler Stellschrauben. Das zeigt die Praxis und das zeigen auch die Beiträge in diesem Diskussionsforum.
Sinkende Kinderzahlen für ein erweitertes, kindgerechteres Raumangebot nutzen, auslaufende Programme überführen in bedarfsgerechte Kita-Sozialarbeit oder ein Sozialraumbudget – das sind nur zwei Beispiele für Chancen, die wir zu verpassen drohen.
Umso drängender ist es, einen systematischen, wissenschaftlichen Qualitätsdiskurs zu führen, der in eine verbindliche, langfristige Gesamtstrategie des Landes mündet. So können Gesetzesentwürfe entstehen, die im Vorfeld ausgiebig mit allen Akteur:innen partizipativ diskutiert werden und dann auch im Landeshauhalt mit den erforderlichen Mittel untersetzt sind.
Daher begrüßen wir ausdrücklich §7a zu einem Zentrum für frühkindliche Bildung und hier insbesondere Absatz 2 zur Förderung einer Hochschul- oder hochschulnahen Einrichtung. In der engeren Verzahnung von Praxis, Wissenschaft und Politik sehen wir die Chance, den Qualitätsdiskurs zu dynamisieren. So können wir gemeinsam frühkindliche Bildung zukunftsfähig gestalten.
Wir befürworten die vorgesehene Anhebung des Personalschlüssels unter der erfolgten Einbeziehung höherer Minderzeiten und plädieren gleichzeitig für eine darüberhinausgehende, stufenweise Erhöhung entsprechend den wissenschaftlichen Empfehlungen.
Familienpolitische Maßnahmen, wie Beitragsfreiheit für alle und bildungspolitische Maßnahmen, wie der Zugang für alle Kinder in die Kitas und die Entwicklung und Sicherung von Qualität sollten Hand in Hand gehen und nicht gegeneinander ausgespielt werden. Qualitätsentwicklung in all ihren Facetten nützt den Fachkräften, den Kindern und Familien und dem Freistaat als lebenswertes, gerechtes und zukunftsfähiges Land.
Da ich seit Jahrzehnten slbst Erzieherin ,kann ich den neuen Vorschlag über die Verbesserung nur Begrüßen.Endlich wird in diesem Land mal konstruktiv über die Qualität der Frühkindlichen Bildung nachgedacht u hoffentlich auch durchgesetzt. Bei einen Schlüssel von 1zu 16 ist individuelle Bildungs -und Erziehungsarbeit kaum noch umsetzbar.Ich als Erzieherin komme sehr oft an meine Grenzen,da ich einen gewissen Anspruch an meine Arbeit habe. Nicht umsonst sind viele in meinem Alter (58) nervlich u körperlich diesem unsagbar Stress gewachsen.in unserem Team betrifft dies eine Vielzahl von Kollegen,die deshalb langzeitkrank bedingt ausfallen.zum Leidwesen derer,die die durch akuten Personalmengel stemmen müssen. Junge Kolleginnen u Kollegen die neu einsteigen in den Beruf, bleiben nicht lange.Sie wollen sich diesen Stress nicht antun und überlegen bei Zeiten nach Alternativen. Wo soll das zukünftig noch hinführen,die leidtragenden sind dabei immer wieder die uns anvertrauten Kinder. Deshalb wünsche bzw. fordere ich dazu auf,diesen Gesetzentwurf endlich Realität werden zu lassen,sowohl hinsichtlich der Qualitätsarbeit mit den Kindern als auch der Gesundheit der Mitarbeiter!!! Die Kinder sind unsere Zukunft und ich kann mir keinen schöneren Beruf als diesen vorstellen. Aber unter denen momentanen Bedingungen ist dies grenzwertig.
Ich möchte mich vielen meiner Vorgänger anschließen und wünsche mir ebenfalls einen Betreuungschlüssel wie es die Bertelsmann Stiftung empfiehlt. Der aktuelle Erzieherschlüssel ist Schadensbegrenzung. Aufgrund der hohen Anforderungen (Dokumtation, Elternarbeit, Blick auf's Kind - Förderung der Individualität, intensievere Eingewöhnungen, hoher Druck vom Träger/Eltern/Gesellschaft, vielerorts offene Arbeit...), fallen immer öfter Pädagogen aus. Die Anwesenden halten durch, bis die "Kranken" wieder da sind, und brechen dann zusammen. Ein Teufelskreis. Bessere Arbeitsbedingungen schaffen gesunde und motivierte Mitarbeiter. Außerdem muss Ausfällen durch Urlaub, Weiterbildung und Krankheit mehr Beachtung gegeben werden um eine gute qualitativ howertige Arbeit leisten zu können, und im U3-Bereich den Allerkleinsten gerecht zu werden, die keine Stimme haben!
Außerdem muss der Platzbedarf pro Kind umgehend erhöht werden! Spiel und Bewegung sind die Haupttätigkeit der Kinder. Der gegebene Zustand fördert Konflikte unter den Kindern, Lärm- und Stresspegel erhöhen sich automatisch und belastet langfristig alle Beteiligten. Rückzugsmöglichkeiten gibt es kaum. Es macht mich jedesmal wütend wenn ich durch riesige Empfangshallen von Geschäftsgebäuden schreite und dabei denke, wie viel Platz davon unsere "Zukunft" zugestanden wird.
Die sinkenden Geburtenzahlen sind die beste Chance für die Politik, um gut zu machen was sie in den letzten Jahren verschlafen hat.
Für die Einrichtung eines Zentrums für frühkindliche Bildung wünsche ich mir nicht nur eine beratende Tätigkeit in die Einrichtungen sondern auch in Richtung Politik mit Stimmgewalt. Wir Erzieher berichten schon seit Jahren von den schlechte Bedingungen, und gefühlt verpuffen unsere Hilferufe kurz nach dem sie ausgesprochen wurden. Es muss eine Instanz geben die unabhängig arbeitet, Mitbestimmen darf und einen direkten Einblick in die Probleme und Hürden im Alltag hat.
Es ist natürlich lobenswert wenn Politik sich Zeit nimmt und sagt, wir möchten uns um Kinder kümmern - nun ja, genau genommen ist es ja auch ihre Aufgabe! Denn im Kitabereich werden so wichtige grundlegende Werte vermittelt und Bausteine gelegt, die unserer gesamten Gesellschaft zugute kommen könnten. Wenn aber an der Basis Frustration und Überforderung entsteht und Fachkräfte mit Erschöpfungssyndromen ausfallen, sagt einem doch der logische Menschenverstand, dass es vielleicht weniger wichtig ist noch ein beitragsfreies Jahr zu bringen (wenn dann doch bitte für alle!), als in den Rahmen der Arbeit zu investieren, der letztlich auch zufriedene Familien, Kinder und Fachkräfte schafft und einen wertschätzenden Umgang mit allen ermöglicht. Und Erleichterung bedeutet nicht nur, dass man EIN Kind weniger in der Gruppe betreut als vorher, sondern, dass man sieht und anerkennt, welche selbstverständlichen Aufgaben Fachkräfte einfach nebenbei noch leisten müssen. Denn wer putzt nach dem Essen den Fussboden oder wischt auf den Regalen Staub oder desinfiziert während der Betreuungszeit mal eben schnell nebenbei das Spielzeug und die Bäder, zieht Bettwäsche ab und stellt mal nebenbei die Waschmaschine an - denn "Pullerwäsche" eine Woche rumstehen zu haben, bis die Wäscherei kommt ist auch kein Knüller - bereitet ggf. auch Essen vor oder sorgt am Nachmittag für den Abwasch des Kaffeetrinkens. Denn selbst mit Lieferservice fällt noch Arbeit an!! Eine Hauswirtschaft für jedes Haus sollte doch schon mal Voraussetzung sein und würde einige Fachkräfte entlasten und ihnen mehr Zeit für die eigentliche pädagogische Arbeit bieten und vielleicht sind dann auch Vor- und Nachbereitungszeiten so möglich, wie sie wirklich angedacht sind. Natürlich sind Reduzierungen im Personal-Kind-Schlüssen wichtig, denn nicht zuletzt scheitert eine wertschätzende Betreuung mit unter am Lärmpegel oder fehlenden Fachkräften - denn es mag überraschend sein: Fachkräfte werden krank oder dürfen auch mal Urlaub haben! Inklusion zu fordern ist das Eine - sie so gewinnbringend umzusetzen, dass es Sinn macht bedeutet aber, Bezugspersonen stellen zu können, die die Zeit haben sich individuell auf das Kind und vor allem auch auf die Familien einzulassen um zu fragen: was brauchst Du denn, damit es Dir gut geht? Denn das wird auch gerne vergessen - wir arbeiten hier nicht nur mit Kindern, sondern mit verunsicherten Familien, mit überforderten Familien, mit gestressten Familien! Wenn wir ehrlich sind: Inklusion im Kitabereich funktioniert doch nicht wirklich optimal?! Und das wird uns hintenraus auf die Füsse fallen. Menschen die sich nicht gehört und sich nicht wahrgenommen fühlen, kosten uns am Ende viel mehr als ein zusätzliches Beitragsfreies Jahr. Jeder einzelne Bereich in der Kita hat seine speziellen Herausforderungen (in einem ist es die körperliche Belastung beim anderen die psychische) aber alle Bereiche benötigen ZEIT! Und diese kann man mit kleinen Erleichterungen und kleinen Veränderungen im Rahmen der eigentlichen Arbeit der Fachkräfte unterstützen. Und da empfiehlt es sich doch mal an der Basis zu fragen - Was brauchst Du, damit es Dir gut geht.
Vorweg, die gestellten Fragen dienen der Verdeutlichung der Problematik und müssen nicht beantwortet werden.
Zu Artikel 1 Ziff. 14, Änderungen in § 29: Wenn künftig statt der Anzahl der (betreuten?) Kinder alle kindergeldberechtigten Kinder in der Familie berücksichtigt werden, würde dies auch für Kinder vor und nach dem Kindergartenalter gelten, Kindergeldberechtigung besteht immerhin bis zum 18. Lebensjahr und mit Einschränkungen bis zum 25. Lebensjahr. Und was ist bei Familien, welche keinen Anspruch auf Kindergeld geltend machen, sollen dann die Kinder der Familie nicht berücksichtigt werden oder wie soll die Kindergeldberechtigung festgestellt werden?
Der Nutzen der Änderung in Absatz 3 erschließt sich nicht. Wieso soll künftig generell eine getrennte Ausweisung erfolgen, wenn dies doch nur Einzelfälle betrifft, sollte nicht besser im Rahmen der Verordnung nach § 34 Nr. 11 (künftig Nr. 10) eine Regelung für solche Einzelfälle erfolgen?
Zu Artikel 1 Ziff. 15, Änderungen in § 30: Mit Buchstaben bb) soll ein Satz ergänzt werden, wonach bei vorzeitiger Einschulung die Elternbeiträge für das vorvorletzte (also 3.) Jahr vor Einschulung nicht erstattet werden. Die in der Begründung erwähnte Klarstellung ist nicht erkennbar. Was ist denn mit den Beiträgen des vorletzten (also 2. beitragsfreien) Jahres bei einer vorzeitigen Einschulung, warum nur eine Begrenzung auf das 3. Jahr? Es gab bei der Einführung des beitragsfreien Kita-Jahres im § 30 konkrete Regelungen zur Rückerstattung bei vorzeitiger Einschulung. Sofern eine Rückerstattung nicht erfolgen soll, wäre die Einschränkung nur auf das 3. beitragsfreie Jahr nicht richtig und sollte generell für alle beitragsfreien Jahre gelten. Alternativ sollte konkret geregelt werden, wann und von wem Eltern eine Rückerstattung bekommen können. Und warum soll in Abs. 2 der 01.03.2023 festgeschrieben werden, dann wäre doch eine jährliche Anpassung des Gesetzes erforderlich, oder? Da je nach Gebührenordnung die Einnahmeausfälle bestimmt nicht konkret ermittelt werden können und das sicher mit hohem Verwaltungsaufwand verbunden ist, wäre es nicht besser auf die jeweils zum Stichtag durchschnittlichen Elternbeiträge des Trägers/der Gemeinde abzustellen? Was ist übrigens mit Kindern, die erst nach den Stichtagen erstmals eine Betreuung beginnen? Ebenso unberücksichtigt blieben sicherlich auch Änderungen im Betreuungsumfang nach den Stichtagen?
Leider sieht auch dieser Gesetzesentwurf keine Stellen für die Sozialarbeit in den Kindergärten vor. Der Unterstützungsbedarf der Familien ist groß und steigt weiter. Sie lassen mit diesem Entwurf die Chance ungenutzt, dem gerecht zu werden. Alle engagierten Pädagoginnen und Pädagogen arbeiten so gut es ihre zeitlichen Ressourcen zulassen mit Familien zusammen, eine tiefgründige und fachlich fundierte Beratungsleistung kann das aber nicht ersetzen. Die Wege in einem Kindergarten sind kurz, Beziehung und Vertrauen sind aufgebaut, Unterstützungsleistungen könnten hier vernetzt und gebündelt werden. Das würde manchen bürokratischen Akt vereinfachen: angefangen von der Beantragung zur Erstattung der Kiga-Beiträge bis hin zu Leistungen der Eingliederungshilfe. Vorstellbar wären hier Stellenanteile, die sich nach Größe der Einrichtung und dem Bedarf (z.B. hoher Anteil an Kindern mit Migrationshintergrund) bemessen lassen sollten.
Dringend überarbeitungsbedürftig sind auch die Flächenberechnungen. 2,5 bzw. 5 m² werden dem Explorationsstreben der Kinder und den qualitativen konzeptionellen Ansprüchen der Pädagoginnen und Pädagogen (Stichwort Qualitätsentwicklung) einfach nicht gerecht.
Die Pauschale zur Fachberatung nach § 11 muss dringend erhöht und fortlaufend angepasst werden, da sie sich unter Berücksichtigung der Tarifentwicklung für die bestens ausgebildeten Fachberaterinnen und Fachberater zwingend auf die Quantität der Leistungserbringung auswirken muss. Wenn es um Qualität in der frühkindlichen Bildung geht, ist ein Zentrum für frühkindliche Bildung zu begrüßen, es kann aber nicht die Prozessbegleitung der Teams vor Ort ersetzen.
Der Personalschlüssel für die Kinder unter drei Jahren sollte sich an den Empfehlungen der Bertelsmannstiftung orientieren.
Die hohe Betreuungsquote in den Thüringer Kindergärten lässt an der Begründung zweifeln, mit der das dritte beitragsfreie Kindergartenjahr geführt wird. Bildung sollte tatsächlich kostenfrei sein. Aber: Wenn wir eine Entscheidung finanziell bedingt treffen müssen, dann kämen Punkte wie Kindergarten-Sozialarbeit, qualitative Fachberatung vor Ort und die weiteren oben genannten Punkte ganz sicher Familien in Thüringen und in erster Linie einer qualitativ hochwertigen frühkindlichen Bildung zu Gute.
Die Aufgaben pädagogischer Fachkräfte und Einrichtungsleitungen in Kindergärten haben sich auf Grund gesellschaftlicher Veränderungen in den letzten Jahren vervielfältigt. Dies bildet der Personalschlüssel keineswegs ab.
Die Gesetzesnovelle will diese Lücke schließen, greift aber nicht weit genug.
Ergänzungsvorschläge:
- Personalschlüssel auch in der Krippe anpassen. Empfehlung der Bertelsmann-Stiftung Betreuung 1:3 für Kinder unter 3 Jahren
- Damit nur noch 2 Personalberechnungen U 3 und Ü 3
- Verwaltungs-Hürden inklusiver Förderung in Regeleinrichtungen senken, damit die Kinder schneller heilpädagogisch in ihrer Teilhabe gefördert werden.
- PiA ausbauen, Bewerbungsverfahren für Azubis und Träger / Einrichtungen vereinfachen; Praxisnahe, vergütete Ausbildung von pädagogischen Fachkräften stärken
- Mehr Zeit für Kinder mit Fluchterfahrung
- Programme wie "Sprachkita" qualifizieren Personal und statten es mit Zeit aus. Das kommt allen Kindern zugute. Wollen wir diese Pädagog*innen an andere Bundesländer verschenken indem wir das Programm nicht ausreichend weiter finanzieren?
- Mehr Platz für Kinder! Zurückgehende Kinderzahlen sind auch eine Chance für Qualitätssteigerung. 2,5 und 5 m2 sind nicht zeitgemäß.
Es braucht einen Stufenplan um frühkindliche Bildung nachhaltig auf zukunftsfähige Füße zu stellen. Unsere Kinder sind es wert.
In der gegenwertigen Diskussion findet ein sehr wichtiges Thema leider wieder kaum Beachtung. In Zeiten von geburtenschwachen Jahrgängen sollte man die damit verbundene Chance nutzen und endlich die pädagogische Nutzfläche auf die von den 2,5m² (einem Freilandhuhn stehen 4m² zu) auf die von der Wissenschaft geforderten 6m² erhöhen.
- Niedersächsisches Institut für frühkindliche Bildung und Entwicklung 2015: https://www.nifbe.de/component/themensammlung?view=item&id=528:raum-und…
- Bensel 2015: https://www.verhaltensbiologie.com/publizieren/fachartikel/PDF/RA8.pdf
- Bensel und Haug-Schnabel 2012: https://www.verhaltensbiologie.com/publizieren/fachartikel/PDF/RA3.pdf
Dies würde tatsächlich eine deutliche Verbesserung der pädagogischen Qualität bedeuten und hätte den netten Nebeneffekt, dass unsägliche Schließungsdebatten vom Tisch wären. Es darf in der frühkindlichen Bildung nicht um Geld gehen. Beziehungsweise es muss als dringend benötigte Investition in die Zukunft gesehen werden. Bildung (Lernen lernen), Demokratieverständnis und Selbstkompetenzen wird hier der Grundstein gelegt. Die Politik muss endlich die Rahmenbedingungen schaffen, dass die pädagogischen Fachkräfte auch den Anforderungen des TBP 18 gerecht werden können. Wir würden dies alles gerne tun aber wir brauchen auch die dafür benötigten Bedingungen. Die Anhebung der pädagogischen Nutzfläche ist da ein wesentlicher Faktor.
Liebe Grüße aus Weimar
Zu 1.
Betreuungsschlüssel
Die geplante Verbesserung des Betreuungsschlüssels ist zu begrüßen, fällt aber leider viel zu gering aus.
Zu 2.
Pädagogische Fläche je Kind
In den vergangenen Jahren wurde in vielen Einrichtungen der auch der letzte Quadratmeter zur pädagogischen Fläche deklariert, um möglichst viele Kinder unterzubringen. Hierbei sprechen wir von 2,5 qm je Kind im Elementarbereich. Wenn wir von Qualität im Kindergarten sprechen, ist auch das Platzangebot ein wesentlicher Faktor. Kleine Räume mit vielen Kindern sind Stressfaktoren für Kind und Pädagogen. Den gerade beginnenden Geburtenrückgang sollte man jetzt mit der großen Novelle dringend zum Anlass nehmen die Mindestfläche je Kind anzuheben und so für bessere Bildungsbedingungen zu sorgen.
Inklusive Förderung
Inklusive Förderung ist richtig und wichtig. Leider sind die Rahmenbedingungen für die Fachkräfte, die dies umsetzen sollen mehr als schlecht. Ist zum Beispiel ein Förderbedarf im Kindergarten erkannt, so beginnt ein sehr bürokratischer Verwaltungsakt der Beantragung dieser Leistung. Am Ende steht dann ein zeitlich befristeter Bescheid. Für Fachkräfte bedeutet dies oft zeitlich befristete Arbeitsverhältnisse, die jederzeit enden wenn das Kind die Einrichtung wechselt (z.B. durch Umzug) oder das Kind eine relativ niedrige Anzahl an Fehltagen im Kindergarten erreicht. Ohnehin herrscht ein hoher Fachkräftemangel in diesem Bereich, welcher Pädagoge/Pädagogin soll sich auf derart schlechte Arbeitsbedingungen einlassen?
In Konsequenz versucht oft das bestehende pädagogische Fachpersonal auch die Kinder die von Behinderung bedroht sind bestmöglich zu fördern. Ein Spagat der bei dem aktuellen und neuen Betreuungsschlüssel kaum leistbar ist, wenn man dem eigenen Anspruch an Bildungsqualität gerecht werden möchte.
Bei der Änderungsplanung wurden wieder die Allerkleinsten vergessen. In der Krippe zu arbeiten bedeutet heute immer noch: bis zu 8 Kinder (wenn auch nur für 1 bis 2 h, bis die nächste Kollegin zum späten Dienst kommt) zu betreuen. Davon weinen 2 auf meinem Schoß (Es ist ja Eingewöhnung), zwei weitere streiten (ich kann gerade nicht aufstehen, hab 2 Kinder auf dem Schoß). Ein Kind sehe ich in der Ecke stehen, ganz leise, verunsichert und still (ich kann gerade nicht aufstehen, hab 2 Kinder auf dem Schoß). Drei Kinder spielen. Ich würde sie gerne begleiten (ich kann gerade nicht aufstehen, hab 2 Kinder auf dem Schoß). Das ist der Alltag einer Pädagogin in der Krippe. Hier ist ein anderer, besserer Fachkraft-Kind-Schlüssel notwendig!!! Ich möchte professionell begleitend arbeiten, kann es aber selten. Mir tun die Kinder leid, die mit einem Jahr kommen, weil sie einen Kita-Anspruch haben und die Eltern arbeiten müssen. Hätte ich 5 Hände und 3 Schöße, wäre es toll. Besser ist ein guter Betreuungsschlüssel, vor allem für die Allerkleinsten. Sie brauchen unsere Hilfe!