Komplizierte Sache...
In der Hoffnung, dass es tatsächlich gelesen wird:
Sehr geehrte Abgeordnete,
mir ist der Umstand bewusst, dass Besoldung nicht einfach ist. Allerdings erhalte ich auch keine B6, B9, B12 oder Diäten. Daher müssen Sie sich mit diesem Problem befassen :). Ich selbst bin Polizeivollzugsbeamter in den 30ern und nach mehreren Jahren Bereitschaftspolizei nun im Einsatz- und Streifendienst mit einer A8/4 unverheiratet tätig. Ich liebe den Job über alles, bin tendentiell mit der Besoldung zufrieden, aber muss einfach einige Punkte ansprechen, die mir als Laie tatsächlich sehr fragwürdig erscheinen.
Im Jahr 2023 war Thüringen Vorreiter und ging freiwillig den Weg einer Besoldungsanpassung. Als einziges Bundesland war eine Erhöhung und Sonderzahlung auf den Weg gebracht und Thüringen stand zu diesem Zeitpunkt, wenn ich ich recht erinnere (ich hatte es damals mal nachgerechnet) auf Platz 2 der Besoldung hinter Bayern. Mit der jetzt vorgesehenen Anpassung werden wir (an meinem Beispiel, A8 Erfahrungsstufe 4) auf dem drittletzten Platz im Bundesschnitt sein. In Zahlen gesprochen, wird man in Baden-Württemberg, Bayern, Hamburg und Rheinland-Pfalz ab 01.02.2025 etwa 300€ bis teilweise 400€ mehr brutto verdienen - selbst das Saarland liegt als jahrelanges Schlusslicht noch etwa 30€ drüber. Die direkten Nachbarn Sachsen und Sachsen-Anhalt 50€ bzw. 150€ mehr. Lediglich Brandenburg und Mecklenburg-Vorpommern zahlen dann geringfügig (<20€) weniger als wir. Ich denke bis auf die Ballungszentren sind gerade Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz auch sehr ländlich geprägt, was vergleichbare Ausgaben bei 300€ mehr Besoldung mit sich bringt.
Die damals so gepriesene Wertschätzung, dass man das Gesetz unbedingt noch vor der Sommerpause verabschieden wollte, ist also wie immer unter der Problematik der Finanzierung 2024 verpufft. Was damals freiwillig war, wird nun angerechnet. Legt man die Aussagen aus den Landtagssitzungen übereinander, müssen jedem die klaren Diskrepanzen auffallen. Der §14 ThürBesG schreibt in den Absätzen (2) und (3) eindeutig vor, dass die vorgenommenen Erhöhungen nur dann anzurechnen sind, "als [dass] eine verfassungsgemäße Alimentation gewährleistet bleibt". Es sollte hinlänglich bekannt sein, dass das Bundesverfassungsgericht die Maßstäbe der amtsangemessenen Alimentation klar definiert hat und hier zum einen das Besoldungsgefüge auf Grund der Tarifverhandlungen anführt sowie den hinlänglich diskutierten Abstand zur Grundsicherung.
Ja, die pauschale Erhöhung um 200€ erscheint auf Grund des Abstandsgebotes der Besoldungsklassen untereinander als nicht praktikabel. Aber wieso ist Thüringen dann das einzige Bundesland (neben Brandenburg*), das diesen Weg geht? Handeln alle anderen Bundesländer vorsätzlich verfassungswidrig? Das kann ich mir nicht vorstellen. Wieso stellt man hier nicht Berechnungen an, dass dann eben mit einer pauschalen Erhöhung um 200€ trotzdem das Abstandsgebot einhält? Sicher würde dann eine Besoldungsstufe A13 doppelt profitieren, aber das ist nun mal der Fluch der Beamtenbesoldung. Die, die es am meisten betrifft - die unteren Besoldungsgruppen - leiden am meisten darunter. Obwohl diese es am dringensten nötig hätten, wenn ich an die zahlreichen Justiz- oder Regierungssekretäre denke, welche die größte Arbeit leisten. In der Justiz ist man teilweise 15! Jahre in der A6, obwohl man sich jeden Tag den A*** aufreißt (nicht alle, aber die meisten die ich kenne). Es kann nicht sein, dass Gewerkschaften und Berufsverbände teilweise auch auf 20+ Seiten ihre fachlich fundierte Gegendarstellung formulieren und dies als gegenstandslos - zwar begründet - verworfen wird. Irren wir uns alle, außer diejenigen, die es finanzieren müssen?
Auf das Thema des Abstandsgebotes möchte ich gar nicht weiter eingehen - das haben die Berufsverbände zu genüge getan. Ich bin seit 8 Jahren vergeben, Heirat und Kind dauern noch etwas. Aber alleine die Vorstellung, dass man als Beamter hinzuverdient, wenn die Frau dafür daheimbleibt, ist ein Schlag ins Gesicht für jeder Verkäuferin, Friseurin oder Reinigungskraft (und viele weitere aus dem Niedriglohnsektor). Wie will man so etwas wirklich rechtfertigen - da hilft auch keine Ausarbeitung auf 200 Seiten, welche kein normaler Mensch versteht (Dreifachbuchstabe ccc mit Bezug auf Doppelbuchstabe bb unter Punkt 1.3.2. usw. - was ist das bitte?). Es bleibt lediglich festzuhalten, dass ein alleinstehender Arbeitsunfähiger eine Erhöhung des Bürgergeldes um ca. 11,8% zum 01.01.2024 erhielt. Wo ist diese Anrechnung geblieben - egal, was die Beitragsdokumentation zum Besten gibt? Allein logisch fehlt diese Berücksichtigung.
Das heißt also, dass man 2023 der Meinung war, man alimentiere amtsangemessen und dies nun zum 01.02.2025 immernoch ist. Hierbei wurde weder die Erhöhung des Bürgergeldes berücksichtigt, noch die allgemeine tarifpolitische Entwicklung. Alleine diese beide Fakten, ohne Schönrechnerei um Geld zu sparen (Wie viele Beamte haben drei Kinder? Wie viele Beamte sind verheiratet?), zeigen doch, dass eine Erhöhung um 1,46% sowie 5,5% nicht ausreicht. Sachsen hat dies ansatzweise erkannt und versucht, mit 4,1% zum 1.1.2024 nachzubessern aber auch hier fehlt, mit Blick auf das Bundesgefüge, noch ein ganzes Stück.
Im Landtag versprach man, dass der HuFa auch in die anderen Bundesländer blicken will. Sollte dies wirklich geschehen und man will im Sinne der Beamten handeln, bleibt nur ein logischer Schluss - das Thüringen nicht das zweite* Bundesland sein darf, welches auf eine prozentuale setzt. Und schon gar nicht mit Verrechnung der freiwilig geleisteten Erhöhung 2023.
Weiterhin halte ich die Streichung der Erfahrungsstufen ebenfalls für fragwürdig. Ein Beamter erhält heute nach vier Jahren das Gehalt, was ich nach acht Jahren erhalte. Ja, ich erhalte heute 50% mehr von dem was ein Beamter vor 20 Jahren erhielt - das Spiel kann man immer weiter spielen. Aber das Streichen von Erfahrungsstufen um den Abstand zur Grundsicherung zu wahren, widerspricht einfach dem Leistungsprinzip. Alleine die Logik widerlegt, dass man nach einer Ausbildung von zwei Jahren nicht in einer Stufe 3 anfangen kann - was ist dann Stufe 1? Und was rechtfertigt es dann zwei Jahre im Zwei-Jahres-Rhythmus und dann vier Jahre im Drei- bzw. Vier-Jahres-Rhythmus zu steigen?
Ich bin mir sicher, dass mit der Verfahrensweise die Klagen stark vervielfachen werden und somit die Bürokratie viel mehr Arbeit bekommt, als nötig. Sicher, ich habe keine Vorschläge für die Finanzierung des Ganzes (außer eine Steuererhöhung), aber so kann es einfach nicht weitergehen.
Auch wenn es nur indirekt zum Thema gehört, aber zwei Punkte möchte ich noch loswerden:
1. Ich schätze jeden Beamten, der seiner Arbeit nachgeht, egal ob A6 oder A15, egal in welcher Dienstbehörde. Aber wieso werden seit Jahren die Amtszulagen nicht erhöht? Ich habe mit einer Polizeivollzugszulage von 145€ begonnen und bin nach acht Jahren immernoch bei 145€. Wie kann das sein - wenn wir so weiter verfahren, ist der Polizeizollzugsdienst bald besoldungstechnisch bedeutungslos. Mir ist bewusst, dass Verwaltungs- oder Finanzbeamte genau so gute wie wichtige Arbeit leisten - aber eben größtenteils in einem Büro an einem Schreibtisch, werktags von 7 bis 16 Uhr. Sollten die Erhöhungen dann nicht auf die Zulagen betreffen, so wie in anderen Bundesländern?
2. Wie kann man, insbesondere Frau Taubert, wirklich der Meinung sein, dass eine Nacht- oder Wochenendarbeit keine Erschwernis darstellt? Sicher, es muss finanziert werden, aber sieht so Wertschätzung aus? Was ist bitte keine Erschwernis daran, wenn man sich von 18 bis 6 im Gefängnis oder auf der Straße befindet, um Ordnung zu halten? Was ist keine Erschwernis, am 01. Mai oder 03. Oktober für Frieden zu sorgen, wenn andere mit einem Getränk im Garten liegen? Die freie Wirtschaft, Krankenhäuser - selbst die armen Taxifahrer - erhalten Aufschläge bis zu 200% (Taxifahrer bei uns immerhin 15%). Auf meine Gehaltsklasse runtergerechnet sind 1,76€ nachts ein Zuschlag von knapp 10%. Für 10 Nachtschichten im Monat und zwei Wochenenden (hier sind es wenigstens 20%). Wie gesagt, ich liebe diesen Beruf, habe es mir ausgesucht und war mir der Umstände bewusst. Aber diese Aussage, dass eine Erschwernis geprüft werden müsse, statt wahllos Forderungen nachzugeben, macht einfach nur fassungslos. Ich bin so unendlich dankbar, dass diese Erschwernis in Zukunft ca. 30% wert ist. In der Hoffnung, dass die Umsetzung tatsächlich noch folgt und man nicht hofft, sie an die nächste Regierung übergeben zu können.
*Sachsen klammere ich hier einmal aus, dort findet neben der umgerechneten 4,76%igen Erhöhung noch eine weitere Anpassung um 4,1% statt