Zurzeit befindet sich der Gesetzentwurf der Fraktionen DIE LINKE, der SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN (Drucksache 7/897) in der parlamentarischen Diskussion. Nachfolgend können Sie Ihre Meinung zu dem Gesetzentwurf im Hinblick auf den Themenkomplex „Inklusion/Behinderte Menschen stärken“ abgeben, mit dem sich der Verfassungsausschuss derzeit befasst. Mit Ihren Beiträgen, Ihren Erläuterungen oder Ihrer Kritik können Sie Einfluss auf die Arbeit des Verfassungsausschusses nehmen. Diskutieren Sie mit! Die von Sachverständigen, Interessensvertretern und anderen Auskunftspersonen im Rahmen eines Anhörungsverfahrens eingereichten Stellungnahmen können mit Zustimmung der Angehörten hier in der Beteiligtentransparenzdokumentation eingesehen werden
Unter Beitrag/Beiträge verfassen finden Sie die einzelnen Fragestellungen, mit denen sich auch der Verfassungsausschuss derzeit befasst. Sie können Ihre Meinung zu den Fragen abgeben.
Seit 1478 Tagen abgeschlossen
Der vorliegende Gesetzentwurf der Fraktionen DIE LINKE, der SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN zur Änderung der Thüringer Verfassung war bereits im Zeitraum vom 20.07.2020 bis 01.09.2020 Gegenstand einer Online-Diskussion. Der Verfassungsausschuss des Thüringer Landtags möchte Ihnen nunmehr, beschränkt auf den Themenkomplex „Inklusion“ erneut die Möglichkeit zur Stellungnahme zum o. g. Gesetzentwurf geben.
Dieser sieht die Aufnahme von neuen Staatszielbestimmungen in die Thüringer Verfassung (ThürVerf) vor. Nach Artikel 43 ThürVerf hat der Freistaat die Pflicht, nach seinen Kräften und im Rahmen seiner Zuständigkeiten die Verwirklichung der in der Thüringer Verfassung niedergelegten Staatsziele anzustreben und sein Handeln danach auszurichten. So enthalten u. a. die Artikel 15, 19 Absatz 1 Satz 2, 20 Satz 3, 29 und 32 ThürVerf derartige Staatszielbestimmungen. Im Gesetzentwurf der Fraktionen DIE LINKE, der SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN ist die Aufnahme von sechs Staatszielen vorgesehen. Artikel 2 Absatz 4 ThürVerf soll um den Satz, dass Inklusion ein Menschenrecht ist, ergänzt werden. Zudem soll eine ausdrückliche Bezugnahme auf das Übereinkommen über die Rechte von Menschen mit Behinderungen (UN-Behindertenrechtskonvention) als ein Teil der Erfüllung des Nachteilsausgleichgebots zugunsten von Menschen mit Behinderungen erfolgen. Wegen der Einzelheiten wird auf das Vorblatt zum Gesetzentwurf sowie auf die Begründung der einzelnen Regelungen in der Drucksache 7/897 verwiesen.
Der Gesetzentwurf der Fraktionen DIE LINKE, der SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN wurde in der 17. Plenarsitzung des Thüringer Landtags am 18.06.2020 erstmals beraten und an den Verfassungsausschuss überwiesen.
Die von Sachverständigen, Interessens-vertretern und anderen Auskunftspersonen im Rahmen eines Anhörungsverfahrens eingereichten Stellungnahmen können mit Zustimmung der Angehörten in der Beteiligtentransparenzdokumentation eingesehen werden.
Inklusion konsequent in der Verfassung verankern
Die vorgeschlagene Neufassung von Art. 2 Absatz 4 erscheint mir etwas halbherzig. Ich würde den Absatz eher so formulieren:
„Der Freistaat Thüringen ist inklusiv und barrierefrei. Er achtet und verwirklicht das Übereinkommen über die Rechte von Menschen mit Behinderung. Menschen mit Behinderung und ihre Verbände wirken in allen sie betreffenden Entscheidungsprozessen mit.“
Die Beschränkung auf Inklusion könnte den Eindruck entstehen lassen, dass es nur um das Schulwesen geht, obwohl die Anliegen viel breiter sind. Deshalb würde ich die Barrierefreiheit mit aufnehmen. Die Formulierung als Anspruch könnte den Eindruck erwecken, als müsse Inklusion erst hergestellt werden, wenn sie konkret eingefordert wird. Tatsächlich müssen aber alle Lebensbereiche nach einem modernen Verständnis, wie es der UN-Behindertenrechtskonvention zugrunde liegt, von vornherein inklusiv und barrierefrei gestaltet werden.
Der zweite Satz des Entwurfs bleibt dem Fürsorge-Paradigma verhaftet, das der moderne, rechtebasierte Ansatz gerade überwinden will. Das gilt auch für Teile des dritten Satzes, insbesondere das Adjektiv „gleichwertig“ statt „gleichberechtigt“. Stattdessen setzt die Behindertenrechtskonvention auf Partizipation; s. insb. Art. 4 Absatz 3 des Übereinkommens. Das würde ich in einen neuen Satz aufnehmen, den man aus sprachlichen Gründen ans Ende setzen könnte.
Was den dritten Satz des Entwurfs angeht, spielen andere behinderungsspezifische völkerrechtliche Regelungen neben der Behindertenrechtskonvention kaum eine Rolle. Hingegen wäre es merkwürdig, den Schutz allgemeiner Menschenrechte oder insgesamt die Umsetzung völkerrechtlicher Vorgaben nur für Menschen mit Behinderung vorzusehen und nicht für alle Menschen. Daher sollte die Verweisung auf sonstige völkerrechtliche Vereinbarungen entfallen.